22. Februar 2007, 18:20

Gesprächsabend

Sächsische Zeitung
Mittwoch, 21. Februar 2007

Arge-Chef geht auf Arbeitslose zu

Görlitz. Eberhard Nagel, Leiter des Dienstleistungszentrums für Arbeit (Arge) hat den Montagsdemonstranten ein regelmäßiges Treffen vorgeschlagen, um in seinem Haus negative Erfahrungen der Arbeitslosen mit der Arge zu prüfen. „Wir können uns alle vier Wochen zusammensetzen und eine Liste mit Ihren Problemen abarbeiten“, sagte Nagel am Montagabend bei einer Diskussion im Apollo. (vb)S.17

Polemik trifft auf Phrasendrescherei

Von Varinia Bernau

Geredet wurde viel in der prominent besetzten Diskussion zum Stück „Hartzreise“ – aber nur wenig miteinander.

Erst wurde aufs Arbeitsamt geschimpft, dann auf die Politik und schließlich auf die Medien. Und irgendwo dazwischen ließ Theaterintendant Michael Wieler diesen Satz fallen. Fast unbemerkt – obwohl es der wichtigste des ganzen Abends war: „Wir kommen nicht weiter, wenn wir voneinander nur in Klischees denken.“
Die Gesprächsrunde am Montagabend, zu der die Montagsdemonstranten im Anschluss an das Theaterstück „Hartzreise“ ins Apollo geladen hatten, war ein Paradebeispiel dafür, wie wenig man einander zuhören und wie sehr man aneinander vorbeireden kann.

Verschiedenes Vokabular

Vielleicht waren die Welten, die an diesem Abend aufeinander trafen, einfach zu verschieden: Neben Theaterintendant Wieler hatten Arge-Leiter Eberhard Nagel, Oberbürgermeister Joachim Paulick und Mirko Schultze, Vize der Linksfraktion im Stadtrat, auf dem Podium Platz genommen. Rund 40 Montagsdemonstranten und 40 weitere Besucher saßen im Publikum. Das unterschiedliche Vokabular, mit dem auf beiden Seiten hantiert wurde, ließ gleich zu Beginn der Diskussion erahnen, dass sie über die Verständigungsschwierigkeiten ins Leere laufen würde: Den „substanziellen Fortschritt“ der Schauspieler auf der Bühne lobte Theatermann Wieler; als „Gesülze“ bezeichnete einer der Darsteller die Statements zum Stück, die die Prominenz auf dem Podium gab.

Pflege von Feindbildern

Und so entglitt die große Diskussionsrunde immer wieder in kleine Duelle: Da rang Montagsdemonstrant Oliver Otto mit Arge-Chef Nagel. Der eine beklagte eine verzögerte Zahlung vom Amt, der andere argumentierte, er habe nach einem Ausfall des Betriebssystems vor Weihnachten Überstunden angeordnet, damit so wenige Anträge wie möglich liegen bleiben. Da quittierte der Linksparteiler Schultze mit süffisantem Grinsen und schwach aus dem Handgelenk geschütteltem Applaus den spontanen Kurzvortrag des CDU-Mannes Paulick zum Modell eines Grundeinkommens – jenem vor allem von linker Seite bevorzugtem Entwurf, wonach jeder Bürger, unabhängig von Lebensalter und Tätigkeit, einen gesetzlichen Anspruch auf eine finanzielle Grundsicherung durch den Staat hat. Und da stritten sich Leute aus dem Publikum über die Kommastellen der Beträge, die ein solches Modell der Volkswirtschaft an Ersparnissen brächte – oder eben auch nicht. Irgendwann empörte sich noch jemand über die ausgeschalteten Straßenlaternen und den Winterdienst, der in Görlitz einfach nicht funktioniere.
Eine gewisse Hilflosigkeit klang in der Runde durch, die ernüchternde Erkenntnis, dass niemand der Anwesenden allein das Große und Ganze ändern kann. Ein erster Schritt jedoch, nämlich der Abschied von alten Feindbildern, wäre an diesem Abend möglich gewesen. Den haben nur wenige gewagt.

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