15. Mai 2009, 18:20

Kronjuwelen

Dienstag, 3. März 2009
(Sächsische Zeitung)

Die Kronjuwelen machen sich an die Arbeit

Von Martha Winter
Die Kronjuwelen beim Familienausflug: Jana, Julian und Andre (v.li.) proben hier gerade eine Szene im Stück „Ran an die Arbeit!“.
Foto: Thomas Knorr
Der Schluss ist einfach noch nicht prägnant genug. Zwar klasse gespielt von Stephan, aber irgendwie fehlt da noch was. Die „Kronjuwelen“ sind ratlos. Und Stephan ist ein bisschen sauer. Also nochmal zusammensetzen und ganz neu überlegen?
Wenige Tage vor der Premiere herrschen Spannungen in der Gruppe, Nervosität macht sich breit, und der Druck ist spürbar. „Kein Wunder“, sagt Spielleiter Uli Krause. Schließlich hat noch keiner der 15 Jugendlichen jemals als Schauspieler auf einer Bühne gestanden. Mancher von ihnen war noch nicht einmal zu einer Vorstellung im Theater.
Uli Krause ist Sozialarbeiter und Theaterpädagoge. Und das Projekt, das der 44-Jährige betreut, ist ein außergewöhnliches: 15 junge Leute haben beim Multikulturellen Zentrum in Zittau für ein Jahr einen 1,50-Euro-Job als Schauspieler bekommen. Die Jugendlichen, die aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen kommen, waren lange ohne Job, manche von ihnen haben noch nicht mal eine Ausbildung. „Und jetzt haben sie alle eine Chance“, sagt Uli Krause.
Stephan zum Beispiel, der am liebsten Landschaftsgärtner oder Raumausstatter wäre: Er spielt jetzt den Hausmeister. „Eine der wichtigsten Rollen im Stück“, erklärt der 24-Jährige ganz selbstbewusst. Nie hätte er gedacht, dass er sich mal so viel Text merken kann. „Ich musste überhaupt nicht großartig lernen“, erzählt er und fügt dann stolz lächelnd hinzu: „Hab’s ja schließlich selber geschrieben.“

Banküberfall und Brust-OP

„Ran an die Arbeit!“, heißt die erste Produktion des ungewöhnlichen Ensembles – eine Szenencollage, die ganz und gar aus eigenen Ideen entstanden ist. Die Jugendlichen verarbeiten darin eigenes Erleben, eigene Wünsche und Träume. Sie spielen „Szenen aus dem Leben“, wie Stephan das zusammenfasst, und sie spielen manchmal auch sich selbst. Sie nehmen Klischees auf die Schippe und die großen und kleinen Absurditäten dieser Welt. Sie können darüber lachen, und sie können ernsthaft zum Nachdenken anregen.
In einem halben Jahr nur haben sie ihre Ideen auf die Bühne gebracht: 14 verschiedene Spielszenen von der Brust-OP oder dem Banküberfall, von den Tücken der Technik oder dem Traum vom großen Gewinn. Vorher kannten sie sich nicht. Jetzt sind sie die „Kronjuwelen“.
„Es wird supergut“, schwärmt Stephan, der in diesem halben Jahr viel mehr gelernt hat als nur selbstbewusst auf der Bühne zu stehen – wobei allein das schon sehr viel ist. „Ich konnte vorher nie so richtig aus mir rausgehen“, erzählt er. „Und ich hab mich oft nicht getraut, meine Meinung zu sagen.“ Er sei viel selbstsicherer geworden durch diese Arbeit, die ihn nun jeden Tag ins alte Zittauer Kronenkino führt.

Nebenbei Bewerbungstraining

Gerade das, sagt Uli Krause, mache das Besondere dieses Projekts aus. Es ist nicht nur die regelmäßige Beschäftigung, die die Jugendlichen nach langem Zu-Hause-Rumsitzen wieder fordert. Theater ist hier vor allem auch Mittel zur Persönlichkeitsbildung. „Wir wollen die Jugendlichen fit für den künftigen Job machen, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen“, erklärt der Theaterpädagoge.
Das Spiel auf der Bühne wird so ganz nebenbei auch zum Bewerbungstraining. Die Jugendlichen haben eigene Texte geschrieben und Interviews geführt, sie haben ihr eigenes „Kronjuwelen“-Logo entworfen und einen eigenen Internetauftritt gestaltet. Sie kümmern sich selbst um Kostüme, Kulissen und Bühnentechnik.
Am Donnerstag wollen sie „Ran an die Arbeit!“ das erste Mal vor Publikum aufführen und sind gespannt, wie sie ankommen. Vielleicht folgen noch weitere Vorstellungen. Wenn alles klappt, bleibt noch Zeit für ein zweites Stück, ehe das ABM-Theaterjahr endet.

Premiere feiert das Stück „Ran an die Arbeit!“ an diesem Donnerstag, 20 Uhr, im Kronenkino an der Äußeren Weberstraße in Zittau. Weitere Vorstellungen folgen am 6. und 8. März. Karten gibt es zum Preis von vier (erm. zwei) Euro an der Abendkasse.

www.die-kronjuwelen.de (ist offline)

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