15. Februar 2007, 08:20

Premierenkritik

Sächsische Zeitung
Montag, 15. Januar 2007

Bitterernst, grotesk und lockerleicht

Von Ines Eifler

Theater. Die von Amateuren gespielte „Hartzreise“ hatte am Freitag in

Görlitz Premiere.

Damit sollten Sie wirklich durchs ganze Land touren“, meint eine Begeisterte, die gerade das Stück „Hartzreise“ im Görlitzer Apollo gesehen hat. Applaudiert, gejubelt und mit den Füßen getrampelt hat der volle Saal des kleinen Theaters. Denn nicht nur authentisch haben die 1-Euro-Jobber die Situationen gespielt, die sie selbst in ihrem Alltag erleben. Sondern humorvoll, fast kabarettistisch kommen die oft bitterernsten, aber auch komischen oder grotesken kleinen Szenen aus dem Leben daher.

Tipps für Ehepaare

Alles ist drin im Stück: Der Arbeitslose, den seine Frau verlässt, weil für ihn außer Bier und Fernsehen nichts mehr zählt. Der Kraftfahrer, der für einen schlecht bezahlten Job im Westen seine Heimat verlassen soll. Das Ehepaar, dem geraten wird, sich scheiden zu lassen, um für ein paar Euro mehr vom Status der Lebens- in den einer Wohngemeinschaft zu gelangen. Die Deprimierten, die Kino und Urlaub nur noch vom Erzählen kennen und denen das „ich hätte und ich würde gern“ schon vor langer Zeit in Fleisch und Blut übergegangen ist. Familienzoff, Alkoholismus, der Streit um Geld, Fleiß und Faulheit, ob selbstverschuldet oder nicht, gehören immer zur „Hartzreise“.

Manchmal rumort es mitten im Stück aus den Zuschauerreihen: „Ja, genau so isses.“ Der das so laut murmelt, dass es alle hören, ist selber seit elf Jahren arbeitslos. Hat mit seinen 50 Jahren drei Handwerksberufe, wird aber in keinem davon gebraucht, sagt er.

Respekt für Schauspieler

Vor allem vom Gefühl der permanenten Ächtung und Ausgrenzung erzählen die 15 Episoden im Stück „Hartzreise“. Dass die Schauspieler gerade mit diesem Stigma in die Öffentlichkeit treten, erfordert Mut und weckt Respekt beim Publikum. Denn die meisten Zuschauer sind keine „Betroffenen“. Conny Schöps gehört zu denen, die noch niemals ohne Arbeit waren. „Ich habe überhaupt keinen Bezug zu dem Thema“, sagt sie, „finde es aber sehr überzeugend und auch glaubwürdig dargeboten. Manche Schauspieler kennt man ja vom Sehen.“

Am Ende, als Zuschauer und Darsteller ins Gespräch kommen, hört man von allen Seiten: „Amateurtheater? Kann nicht sein, die sind wie Profis!“ Und als die Regisseure Peter Hanslik und Uli Krause das Publikum nach seiner Meinung fragen, heißt es, ein bedrückendes Drama habe man erwartet, aber kein so leichtes, lockeres, unterhaltsames Stück. Ob daraus tatsächlich eine Reise – von einem zum nächsten Theater – wird, ist noch offen, aber im Gespräch.

Wieder: am 24. und 25.Januar, am 8., 9., 22. und 24. Februar, jeweils 19.30 Uhr sowie am 12. Februar,19 Uhr

Kartentelefon: 03581/474747
 

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